Ein Rückblick auf meinen Freiwilligendienst

Liebe Leserinnen und Leser,

Seit nun 11 Monaten arbeite ich in der Unidad Educativa de Educación Especial Ambato. Vergangene Woche Mittwoch hatten die Schüler ihren letzten Schultag und haben nun Ferien. Es ist die Zeit gekommen, an der ich in die Zukunft schaue, an die Zukunft in Deutschland und damit unvermeidlich auch an das Ende meiner Zeit in Ecuador. Dabei beobachte ich ein Gefühl aus Freude auf Deutschland und eine Mischung aus Angst und Traurigkeit darüber, dass ich Ecuador bald verlassen, und diese Zeit hinter mir lassen werde. Und so stelle ich mir nach fast einem Jahr die Frage; Was hat mein Freiwilligendienst gebracht?
Als ich in der Schule anfing zu arbeiten, wurde mir die Verantwortung für das Casa Hogar angeboten. Die Direktorin hatte sich diese Aufgabe für mich überlegt, da sie aufgrund meiner Bewerbung dachte, dass diese Tätigkeit zu mir passen könnte. Ohne konkrete Vorstellungen nahm ich die Aufgabe an. Ich würde mit den Lehrern der Klassen zusammenarbeiten und alle Klassen der Schule (ausgenommen die Abschlussklassen) unterrichten. Die groben Inhalte meines Unterrichts sollten sein: Pflege, Aktivitäten in der Küche und Ordnung. Die ersten Wochen kamen noch nicht alle Klassen, sodass ich einige Freistunden hatte. In der ersten Zeit bereitete ich mit den Kindern also Dinge  wie Obstsalat, Salat, Spiegelei, Sandwiches und Guacamole zu, oder wir deckten den Tisch. Dabei achtete ich darauf, dass jedes Kind eine Aufgabe bekam und diese möglichst selbstständig ausführen sollte. Dazu gehörten Obst/Gemüse waschen und schneiden, Salat waschen, Eier aufschlagen, Brot aufschneiden und belegen, etc. Das Erlernen der Begriffe der Zutaten, sowie deren Anzahl und Farbe waren ebenfalls Teil des Unterrichts. Ab November begann ich mit der Kleidung zu arbeiten und auch das Bett ab- und wieder neu zu beziehen. Mit der Kleidung ließ sich sehr vielfältig arbeiten. Mit einigen Klassen übte ich, sich an und auszuziehen, Jacken auf den Kleiderbügel zu hängen, Wäsche aufzuhängen, abzuhängen und zusammenzulegen. Im Dezember passte ich meinen Unterricht an die Weihnachtszeit an, sodass wir Kekse backten, Weihnachtsbaumschmuck bastelten und den Weihnachtsbaum schmückten. Grundsätzlich versuchte ich Traditionen von Feiertagen in den Unterricht mit einzubeziehen, so machten wir zum Beispiel im November anlässlich des Día de los Difuntos (Tag der Toten) Colada Morada, ein Getränk, das hier um diese Zeit zubereitet und getrunken wird. Um Weihnachten kam eine Lehrerin zu mir, um mich im Unterricht zu unterstützen. Dies bot mir die Gelegenheit, den Unterricht etwas distanzierter zu betrachten. Als die Lehrerin dann wieder eine Klasse übernehmen sollte, beschloss ich die Struktur meines Unterrichts ein wenig zu ändern. Ich besprach mich mit jedem einzelnen Lehrer, was die Schüler ihrer Meinung nach bei mir im Casa Hogar lernen sollten und wiederholte grundsätzlich viel mehr, denn ich merkte, dass dies für einen Lernfortschritt wichtig war. So kam ein ganz individueller Stundenplan zustande. Während ich begann mit den schon älteren Schülern zu lernen, wie man die Schuhe bindet, übte ich mit den Autisten und Kindern mit körperlicher Einschränkung das Aus- und Anziehen von Schuhen, Socken und Jacken. Mit einer Autistenklasse arbeitete ich das ganze Jahr lang nur daran, Schuhe und Socken aus- und anzuziehen, die Jacke oder den Pulli auszuziehen, auf den Kleiderbügel zu hängen und diese/n später wieder anzuziehen. Auch Dinge wie gründliches Händewaschen, Gesicht waschen und Zähne putzen wurde Teil des Unterrichts.
In dem Jahr lernte ich die Kinder immer besser kennen, lernte ihre Stärken und Schwächen kennen und fand heraus, wie ich mit ihnen arbeiten konnte. Was mich öfter nachdenklich machte, waren Dinge, die die Schüler nicht konnten, grundsätzlich aber erlernen könnten. Dazu gehören beispielsweise das Erlernen vom Laufen, sich an- und auszuziehen, selbstständig zu essen oder sich die Zähne zu putzen. Das Problem ist oft, dass das Kind Zuhause wenig gefördert wird. Ohne die Kooperation der Eltern kann dann meist kein Fortschritt erzielt werden.
Meine Rolle als Verantwortliche des Casa Hogar war, ganz generell gesagt, den Kindern dabei zu helfen, sich selbstständig im Haus zu bewegen und damit Unabhängikeit zu gewinnen. Dieser Begriff machte mir bewusst, wie wichtig und wie sinnvoll meine Tätigkeit war. Jedoch habe ich auch bemerkt, wie kurz ein Jahr für so eine wichtige Aufgabe ist. Vorallem da ich ja selbst erst einmal lernen musste, wie ich den Unterricht richtig gestalten konnte, zumal ich keine ausgebildete Lehrkraft, sondern eben nur Freiwillige bin.
 
Dies bringt mich zu dem Thema: Ist mein Freiwilligendienst gerecht? Über diese Frage hatten wir auch auf dem Seminar ausführlich diskutiert und ich finde es wichtig, diese Frage hier zu thematisieren. Wir Freiwilligen kommen nach Ecuador, haben vielleicht das Abitur in der Tasche aber keine Ausbildung bezüglich des Freiwilligendienstes. Trotzdem bekommen wir eine gleichwertige Aufgabe wie die Leute in Ecuador. Dreht man die ganze Sache um, wird einem bewusst, dass in Deutschland niemals ein 20-jähriger Schulabgänger solch eine Aufgabe in solch einer Institution bekommen würde. Wir kommen aus Deutschland und haben dadurch Privilegien, was unfair ist. Zwar finanziert weltwärts auch Freiwilligendienste, bei denen Ecuadorianer nach Deutschland kommen, bisher jedoch verhältnismäßig wenige.
Der Freiwilligendienst ist ein Lerndienst. Das bedeutet, dass wir keine Entwicklungshilfe leisten, sondern im Laufe des Jahres eine persönliche Entwicklung erfahren.
Grundsätzlich denke ich positiv über den Freiwilligendienst. Dadurch, dass ich ein Jahr in einer Gastfamilie leben durfte, konnte ich die ecuadorianische Kultur sehr nah erleben. Mit all den Begegnungen, die ich machte, kam zu einem interkulturellen Austausch, was gut ist. Denn...

"Reisen veredelt wunderbar den Geist und räumt mit all unseren Vorurteilen auf." (Oscar Wilde)

Nun noch etwas zu meinem vergangenen Wochenende. Mit ein paar Leuten aus Österreich war ich am (aktiven) Vulkan Cotopaxi (5897m). Es war super kalt und sehr windig, aber wir hatten Glück, denn der Himmel war wolkenfrei, sodass wir eine atemberaubende Sicht auf den Cotopaxi hatten.






 
 



Liebe Grüße und bis bald! 

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